Weihnachtszeit ist Amigazeit.

Mein alter Gefährte hat ja schon einiges auf dem Sockel. Über 20 Jahre sind es nun, in denen er mir stets zur Seite stand.
Da der Zahn der Zeit und sonstige Einflüsse ihm schon etwas zugesetzt haben, bin ich dabei eine Restauration durchzuführen.

Für Interessierte gibt es hier ein paar Fotos und Selbstgespräche...
23.11 Wie beim Auto, sollte die Restauration mit der 'Karosserie' beginnen, was in diesem Fall nicht ganz zutrifft. Dazu später mehr. Auf den ersten Blick sind Kratzer und sogar Rost zu sehen. Das innere ist Nikotin-vergilbt, zum schämen. Bild 4 hat der Vorbesitzer, dessen Name nicht genannt werden soll, verbrochen. Das schlimmste wird mit der Zange gerichtet. Auch die Floppygehäuse haben schon bessere Tage gesehen.

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Soweit so gut, morgen gehts in die Firma...
24.11 Als erstes werden die losen und verbogenen Schächte wieder gerade ausgerichtet und angeschweißt. Verwendet wird ein MAG-Gerät mit 0.8mm Draht auf kleiner Stufe. Der hintere Blechschaden wird so gut es geht mit der Flex und einer Feile repariert.

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Nun wird Sand-gestrahlt...
Gestrahlt und fertig zum nach-schleifen mit dem Exzenter, um die raue Oberfläche ein wenig zu glätten. Verwendet wird ein 240er Papier, denn es soll ja kein Spiegel werden. Danach wird mit Nitroverdünnung gewaschen, außen sowie innen, um Sandreste und Vergilbung zu entfernen. Die Flecken kommen vom ungleichmäßigem Sandstrahlen. Das macht nichts. Der Druck beim Sandstrahlen wird auf 8 bar eingestellt, eine kleine Düse gewählt und wenig Sand zugegeben. Da das Gehäuseblech nur 1mm dick ist, sollte man darauf achten, dass es sich beim strahlen nicht zu sehr erwärmt, da es sich sonst verziehen könnte.

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Zeit zum grundieren...
Die 400ml Spraydose mit der Grundierung ist leer. Deshalb muss noch mit einem Grund dunklerer Farbe nachgebessert werden. Davon sollte man jedoch später nichts mehr sehen. Die Grundierung ist nicht ganz zufriedenstellend.

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Nach 30 Minuten kommt die Farbe drauf...
Lackiert wird mit einem 2K-Autolack in RAL 7035 matt. Zuerst die Floppygehäuse, um die Farbe/Farbton zu testen und dann der Rest. Da die Gehäuse aber mehr Farbe verbrauchen als erwartet, ist die 400ml-Dose leer bevor die Arbeit abgeschlossen werden kann.

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Also morgen erst mal wieder zum Farbladen...
25.11 Nun ist alles mit genug Farbe bedeckt und der finale 2K-Klarlack aufgetragen. Auch hier ist das Ergebnis nicht 100% zufriedenstellend, da die Spraydose an einigen Stellen leicht getropft hat. Mit einer Lackierpistole wäre es sauberer und günstiger geworden.

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Das Ganze kann jetzt über das Wochenende ordentlich trocken...
29.11 Wieder Zuhause. Das Ergebnis ist im großen und ganzen zufriedenstellend. Das Gehäuse wurde im inneren nochmals mit einem Tuch und Nitroverdünnung gewischt, um Farbstaub und sonstige Reste zu entfernen. Der hintere Schaden hätte evtl. noch aufgeschweißt werden sollen, um die kleinen Löcher aufzufüllen. Aber gut, er muss ja keinen Preis mehr gewinnen. Der Bereich, an dem das Slotblech wieder angeschweißt wurde, ist derzeit blank und wird später noch mit einem Pinsel grundiert.

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Die Floppygehäuse sind auch recht schön geworden, wobei sie nur außen lackiert wurden, damit die Laufwerke genug Spiel haben, da sie sich normalerweise recht schwer einschieben lassen. Der 3.5" Einbaurahmen ist ebenfalls nur grundiert worden.

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Weiter geht es mit der Stromversorgung...
03.12 Vorher werden aber noch die externen Floppy-laufwerke montiert, welche später wieder an einem Amiga 1200 Verwendung finden. Zuerst werden die Abdeckungen entfernt und das innere mit trockener 2 bar Druckluft vom Staub befreit. Anschließend werden alle großen Laufwerks-teile und Kabel mit einem Lappen und Spülmittel feucht gewischt und danach nochmals mit Nitroverdünnung gereinigt. Nitroverdünnung scheint relativ gut zu funktionieren um Gilb zu entfernen und dabei den Kunststoff nicht all zu sehr anzugreifen. Eine Empfehlung, Nitroverdünnung zu verwenden, kann aber trotzdem nicht ausgesprochen werden. Ethanol (96% Alkohol) funktioniert auch sehr gut und ist schonender. Man könnte auch alle Kunststoff-teile mit Wasserstoffperoxid bleichen, aber dieser Prozess ist aufwendig und eigentlich unnötig, wenn auch so ein akzeptables Ergebnis erreicht werden kann.

Mit Nitroverdünnung, Aceton und dergleichen sollte nur im Freien oder in großen Räumen, welche später längere Zeit nicht mehr betreten werden, gearbeitet werden. Kurzzeitiges Lüften bringt nicht viel, denn der Geruch bleibt stundenlang im Raum hängen und verursacht Schläfrigkeit und Schlimmeres.

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Nachdem die Mechanik zerlegt wurde, wird mit Balistol der Flugrost entfernt und anschließend werden alle Gelenke leicht mit neuem Fett bestrichen. Vor dem Zusammenbau werden die Lese-/Schreib-köpfe mit Wattestäbchen und Isopropanol sanft gereinigt. Alternativ kann auch Ethanol oder Spritus verwendet werden. Der Block mit den Köpfen sollte niemals zerlegt werden, da er exakt ausgerichtet ist, bzw. sein muss.

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Nach dem Zusammenbau werden an der Unterseite noch neue Filz-gleiter verklebt. Die zwei extrem vergilbten Kabel sehen etwas gewöhnungsbedürftig aus und könnten evtl. noch ersetzt werden.

Nun aber zum Netzteil...
Es wird geöffnet und ebenfalls mit trockener 2 bar Druckluft vom Staub befreit. Wenn ein, vor allem kleiner Lüfter mit Druckluft ausgeblasen wird, sollte er immer mit dem Finger gehalten werden, da er sonst binnen einer Sekunde Drehzahlen von 10000-20000 U/Min erreichen kann. Die dadurch entstehenden Spannungen in der Spule des Lüfters liegen weit über seiner Nennspannung. Sollte es zu einem Stromfluss kommen, kann der Lüfter durchbrennen oder die Lüfter-steuerung beschädigt werden. Außerdem können durch extreme Drehzahlen Lagerschäden entstehen.

Anschließend werden die Lüfter vom Netzteil ausgebaut und mit einem Tuch und Ethanol gereinigt. Es könnte jetzt noch die Platine ausgebaut und mit einem Mittel zur Platinenwäsche gewaschen werden. Auf diesen Schritt wird hier verzichtet, da das Netzteil in Zukunft wahrscheinlich ersetzt werden wird.

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Wo vorher alte Klemmbrücken waren, werden 3 neue Stecker am Netzteil montiert. Zusätzlich wird ein Adapter von ATX (1.1) auf AT-P8/P9 angefertigt. Die Buchse für den ATX-Stecker ist vom Typ MOLEX 39012201, die Stifte sind MOLEX 39000049. Die P8/P9-Stecker inkl. Kabeln stammen von einem alten AT-Netzteil. Der Kippschalter muss noch durch einen AT-Schalter ersetzt werden, um ihn vorne einbauen zu können.

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Wer seinen Amiga mit einem ATX-Netzteil und einem Adapter betreiben möchte, sollte darauf achten, dass nur ATX 1.x-Netzteile völlig funktionieren. Ab ATX 2.x fehlt die -5V Leitung, welche zwar nicht direkt vom Amiga, jedoch von manchen ISA-Karten benötigt wird.

Der verdiente Ruhestand...
Auf Grund von Wackelkontakten in den Mainbaord-kabeln 'Short'/'Long', fehlender Zugentlastungen und dem allgemeinen schlimmen Zustand, werden alle Flachband- kabel auf Maßlänge neu gefertigt. Zum abschneiden vom 3m Band wird eine Schere verwendet und zum verpressen der Stecker kommt der Schraubstock zum Einsatz. Wichtig dabei ist, immer auf Pin 1 und die richtige Lage der Stecker zu achten, ansonsten gibt es Rauchzeichen.

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Beim Floppy-kabel wird der Anschluss für DF1 mit den Pins 4-6 vertauscht und nicht wie beim original Kabel, mit den Pins 3-5. Fast alle Amiga 4000 Tower Modelle von 'Amiga Technologies' wurden mit falsch verdrahtetem Floppy-kabel ausgeliefert. Aus dem Schaltplan ließt man, dass dann nicht _INUSE0/_INUSE1 vertauscht werden, sondern _CHNG/_INUSE0 und somit kann DF1 niemals so funktionieren wie es soll.

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Das kurze 50-polige Kabel führt von der internen SCSI2-Buchse, an der normalerweise die Geräte hängen, zum internen SCSI2-Terminator. Das ist die 50-polige Buchse oben an der Platine mit den Anschlüssen für Maus und Drucker. Werden keine Geräte verwendet und ist dieses Kabel nicht gesteckt bootet der Amiga trotzdem, aber erst nach 20-30 Sekunden. Man sollte immer auf eine korrekte SCSI-Terminierung achten, da sie sonst zu falsch oder nicht erkannten Geräten und sogar zu Datenverlust führen kann.

Um die Bildqualität zu verbessern, wird das 9-polige Kabel von der Grafikkarte später noch abgeschirmt und der Schirm auf die Gehäuse-masse geführt, welche wiederum über das Netzteil mit der PE-Leitung des Hauses verbunden und geerdet ist.

Der hoffnungsvolle Neubeginn...
12.12 Am Anfang dieser Geschichte wurde davon gesprochen, dass eine Sanierung mit der Karosserie beginnen sollte. In diesem Fall hat sie jedoch mit dem Motor, bzw. Mainbaord begonnen. Generell alle Amiga-Modele haben heutzutage ein gemeinsames Problem, auslaufende Eletrolyt-kondensatoren (Elkos). Diese sollten unbedingt durch Keramik-kondensatoren (Kerkos) oder Tantal-derivate ersetzt werden. Zum Thema gibt es ein Wiki.

Nach längerer Überlegung wurden dann vor ca. 1 Monat in einer mehrstündigen Operation alle großen Elkos mit 470µF durch neue ersetzt und der Rest gegen Kerkos getauscht. Es wird ausschließlich die SMD-Bauform 1210 von MuRata, mit einer Toleranz von 10% verwendet. Die alten 100µF Elkos werden dabei durch 2 gestapelte 16V, 47µF Kerkos realisiert, da die 100µF Kerko-variante nur in 6.3V verfügbar ist.

Es wurde folgendermaßen vorgegangen. Zuerst wurde versucht normal auszulöten. Selbst bei Temperaturen über 350°C lösten sich die Pins der alten Elkos sehr schwer, da ein großer Teil der Pins unzugänglich unter dem Elko-gehäuse lag. Außerdem nahm das Gehäuse ordentlich Temperatur weg. Es musste also eine andere Lösung gefunden werden. Die Elkos wurden dann einfach mit einem kleinen Seitenschneider abgezwickt. Dabei ist darauf zu achten, dass die Schneidflächen entlang der Pads auf der Platine verlaufen, um nur den oberen Teil des Elkos zu entfernen und keine Pins abzureißen. Die Pins vom Elko sollten also auf der Platine bleiben. Danach können sie mit einer kleinen Zange gegriffen und bequem ausgelötet werden. Anschließend wurde jedes Pad mit Entlötlitze gesäubert und danach mit Isopropanol gewaschen, um altes Flussmittel und Schmutz zu entfernen. Es kann auch Ethanol verwendet werden.

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Zum Einlöten der Kerkos wurde zuerst eines der beiden Pads verzinnt, anschließend der Kerko mit einer Pinzette positioniert, gehalten und auf der bereits verzinnten Seite leicht angelötet. Danach wurde die andere Seite gelötet und anschließend beide Seiten nochmals mit genug Zinn nachgelötet. Gestapelte Kerkos wurden vorher zusammen gelötet und dann wie die anderen verbaut. Als Lötzinn kam S-Sn60Pb40 mit 2.5% Flux in 0.5mm ohne zusätzliches Flussmittel zum Einsatz. Die Löttemperatur betrug 225°C und es wurde eine kurze Lötspitze in Kegelform verwendet. Die Zeit in der das Lötzinn an den Pins vom Bauteil flüssig ist, sollte so kurz wie möglich sein und die Temperatur sollte dabei nur wenig über dem Schmelzpunkt des Lötzinns liegen. Ansonsten kann das Bauteil zerstört werden.

Zerstörtes Bauteil...
Nach dem ersten Einschalten lief alles wieder wie zuvor und auch das Monitorbild flimmerte, wie zuvor. Das flimmern stammt vom fehlendem Sync-Signal, welches der IC U457 auf dem Mainboard bereitstellt. Der IC wurde jedoch irgendwann einmal durch ein defektes SCART-Kabel zerstört, wobei sich die +12V Leitung im Stecker von Pin 8 gelöst hat und wahrscheinlich CSYNC an Pin 20 berührt hat. Tödlich.

Der Chip musste also getauscht werden, was bei seiner Bauform keine leichte Aufgabe ist. Nach Studium der Möglichkeiten im Netz wurde dann folgendermaßen vorgegangen. Es heißt, entweder soll das Bauteil überleben oder die Platine. In diesem Fall sollte natürlich die Platine überleben und am Bauteil konnte grob gearbeitet werden. Als erstes wurde eine breite Lötspitze in Meißelform gewählt, die Löttemperatur auf 400°C gestellt und versucht den IC insgesamt so lange zu erhitzen, bis sich alle Pins gleichzeitig lösen würden und der IC sich seitlich verschieben ließe. Nach 3-4 Minuten musste dieser Versuch jedoch abgebrochen werden, da nicht genug Hitze in den IC übertragen werden konnte. Als nächstes wurde links und rechts an den Pins entlang ordentlich Flussmittel aufgetragen und danach mit 350°C und 1mm Lötzinn reichlich Material zugegeben. Um mehrere Pins gleichzeitig zu erhitzen, wurde die Lötspitze rasch und abwechselnd den Pins entlang geführt. Nach einiger Zeit konnte der IC dann an einer Ecke mit einer Pinzette leicht angehoben werden. Der Rest war ein Kinderspiel. Nachdem wie zuvor mit Entlötlitze und Isopropanol gereinigt wurde, konnte das Einlöten beginnen.

Mit einer feinen und langen Lötspitze in Kegelform wurde zuerst mit 0.5mm Draht jedes der 48 Pads einzeln verzinnt und das Ergebnis mit der 5x Lupe kontrolliert. Es dürfen natürlich keine Lötbrücken zwischen den Pads bestehen. Danach wurde der neue IC positioniert, mit der Lupe auf exakte Übereinstimmung der Pins mit den Pads kontrolliert und mit Isolierband festgeklebt. Danach wieder mit der Lupe kontrolliert und wieder. Anschließend wurde eine mittel-breite Lötspitze in Meißelform gewählt und die Temperatur auf 220°C reduziert. Nun wurde der IC mit einem Finger gegen verrutschen gehalten und einfach mit der Lötspitze über die Pins gestrichen, zuerst eine Seite, dann die andere. Das richtige Tempo bei führen der Lötspitze erkennt man daran, dass die Pins leicht in die vorverzinnten Pads einsacken. Somit wurden alle Pins gleichzeitig verlötet und es entstand keine einzige Lötbrücke. Ein Lötbrücke ist ein Stelle an der zu viel Lötzinn liegt und somit Pins verbunden und kurzgeschlossen werden. Sollte trotzdem eine Brücke entstehen, kann sie relativ einfach mit Entlötlitze entfernt werden. Dabei sollte man darauf achten, dass nicht zu viel Lötzinn entfernt wird.

Zum Abschluss wurden noch alle Platinen mit einem speziellem Reiniger gewaschen, um Flussmittelreste und Nikotin-ablagerungen zu entfernen. Zu waschende Platinen sollten vorher einige Tage stromlos sein, um die Kondensatoren zu entladen. Es sollten nur spezielle Mittel zur Platinenwäsche verwendet werden und nach Abschluss sollte so lange getrocknet werden, bis kein Geruch mehr vom Reiniger von der Platine zu vernehmen ist.

Das Ganze ist mehr als sein einzelnen Teile...